1.000.000 Lichterstadt Berlin


20.08.2004 von 18.30 - 23.30
Musik zu einer einmaligen Kunstaktion des iranischen Aktionskünstlers Misha Bolourie, gespielt von Simon Stockhausen und 7 Musikern auf der Siegessäule in Berlin mit tausenden von Kindern aus insgesamt 25 Berliner Schulen, die eine Million Kerzenlichter entzündeten und um die Siegessäule herum aufstellten.

veranstaltet von Misha Bolourie und KulturPate e.V.

www.lichterstadt-berlin.de





Was ich an diesem Tag, dem 20.08.2004 an der Siegessäule in Berlin erlebt habe, gehört zu den grandiosesten Ereignissen in meiner Vita, sowohl als Mensch, wie auch als Musiker und Komponist.
Das Spielen eines viereinhalbstündigen "Konzerts" ohne Unterbrechung, in totaler Konzentration,
zusammen mit meinem wunderbaren siebenköpfigen Ensemble, alles Musiker und Improvisatoren erster Güte, war eine große Herausforderung, die mich im Vorfeld dieser Aktion ziemlich nervös gemacht hatte.
Als dann noch kurz vor dem Beginn ein Unwetter aufzog (es hatte den ganzen Vormittag über geregnet und die an den Säulen klebenden Partiturseiten waren total durchnäßt) und ich beim Umparken meines Autos(von der Polizei erzwungen,"sonst schleppen wir sie ab")noch einen kleinen Unfall baute (alle Straßen waren wegen uns total verstopft), flatterten meine Nerven wie ein loses Segel im Wind. Doch pünktlich um 19.00 Uhr verzog sich das Ungewitter, die untergehende Sonne wärmte uns oben auf der Siegessäule, und wir begannen mit unserem Spiel.
Was dann geschah, war phantastisch: Um uns herum entstand ein Lichtermeer aus 1.000.000 Lichtern und wir begleiteten diesen Schöpfungsakt mit 1.000.000 Klängen, Wörtern und Tönen.
Die von den Schülern und mir erzeugten Klangsequenzen(Klatschen-Pfeifen-Sprechchöre-Summen), die ich in den zwei Wochen zuvor auf unserer "Überzeugungsreise" durch die Schulen Berlins gesammelt hatte, bekamen einen Raum, den ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können, die gesprochenen Texte, die wir mit drei Schauspielern und zwei Kindern in meinem Studio vorproduziert hatten und jetzt mit live gespielter-Musik unterlegten, wurden sehr lebendig und gaben dem Ganzen eine philosophisch-politische Dimension, die ich mir erhofft hatte, und die "Wunschcollage" der Kinder verzauberte alle Anwesenden gleichermaßen.
Nach viereinhalb Stunden wachte ich auf aus meinem Traum und verspürte große Energie, noch größeres Glück und puren Frieden.
Ich mußte dann noch bis sechs Uhr morgens vor der Siegessäule warten, wedelte mit Pappkartons Kerzen aus, um der Stadtreinigung eine Möglichkeit zu geben, ihr zerstörerisches Werk zu beginnen(alle über die nun erloschenen Lichter fahrenden Unimogs hatten nach spätestens 30 Minuten platte Reifen),und ich trug meine Keyboardkisten durch ein Meer von Splittern und Zerstörung zu meinem nun korrekt geparkten Auto.

Was Misha Bolourie hier geschaffen hat, zusammen mit tausenden von Kindern und Erwachsenen, ist von großer Bedeutung für unsere Welt und den Stellenwert, den Kinder und Jugenliche in ihr haben sollten.
Keine Dokumentation,keine CD-Aufnahme und kein Photo kann uns diesen Tag auch nur annähernd wiederbringen, aber ich freue mich sehr über den nun vorliegenden Katalog.

Die VERGÄNGLICHKEIT, die uns alle bestimmt, gibt unserer Erinnerung und Phantasie einen unendlichen Raum, und das ist vielleicht das schönste Vermächtnis dieses einzigartigen Tages!

Simon Stockhausen im Zug nach Köln am 13.12.2004

Das Ensemble:
Christian Weidner: Alt - und Tenorsaxophon
Daniel Schroeteler: Schlagzeug und Perkussion
Kalle Kalima: E-Gitarre
Iven Hausmann: Posaune
Martin Stegner: Bratsche
Martin Iannacone: Cello
Klaus Hasse: Trompete
Simon Stockhausen: Sampler, Synthesizer, Sopransaxophon, Komposition, Live-Elektronik
alle Musiker spielten auch diverse Vogelpfeifen

beteiligte Schauspieler für die Textaufnahmen:
Andrea Stockhausen-Bürgin
Stephan Wolf-Schönburg
David Bennent

beteiligte Kinder für die Textaufnahmen:
Emma und Paula Kreye

Klangregie: Albrecht Leu

Texte von: Misha Bolourie, Glenn Gould, Dalai Lama, Thit Naht Han, Khalil Gibran

Ausschnitt aus dem Live-Konzert / Khalil Gibran Text und Musik - MP3


Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch. Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie Euch doch nicht. Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht Eure Gedanken. Denn sie haben ihre eigenen Gedanken. Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen. Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.

Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein; aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen. Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern. Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden. Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und Er spannt euch mit seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen. Lasst euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein. Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt Er auch den Bogen, der fest ist.

Khalil Gibran: Der Prophet

MP3 Kinderwünsche





eine Luftaufnahme der Aktion am großen Stern